Globale und interdisziplinäre Forschung zu Elektroschrott: unter E-Schrott laufen bei mir verschiedene Initiativen zusammen.
Zentral für die Forschung ist ein Buch, das ich publiziert habe. Im Zentrum des Buchs steht die aufwendige, kontroverse Entstehung neuer Werte. Der Autor identifiziert das Hightech-Recycling als dominante politische und ökonomische Kraft im Umgang mit Elektroschrott – eine einseitige Strategie, die andere verdrängt und nicht zur nachhaltigen Vermeidung von Müll beiträgt. Das Buch beim Verlag.
Elektroschrott ist ein einzigartiger, faszinierender Abfallstrom. Ständig taucht er in den Nachrichten auf. Der Müllberg wächst – mehr als 50 Millionen Tonnen pro Jahr, wie die United Nations University in ihren renommierten „E-Waste“-Reports schätzt. Und gleichzeitig lernen Konsument*innen durch die vielen Berichte von den seltsamen Routen, die der hauseigene E-Schrott nach der Entsorgung nimmt. Es sind in der Regel Geschichten, in denen Dinge wie alte Computer in den globalen Süden reisen, nach Westafrika oder Asien. Siehe zum Beispiel hier beim Spiegel, hier in der FAZ oder hier beim ZDF.
Was dabei vermittelt wird, ist eine generelle Unsicherheit. Es passiert zu wenig. Müll wird nicht nur nicht vermieden, er macht Verhältnisse und Leben sogar noch schlimmer. Der eigene Konsum macht Leben in der Ferne schlimmer. Aber das greift zu kurz. Kritische Forscher*innen weisen darauf hin, dass bei derartigen Berichten Rassismus reproduziert und Ungleichheiten verstärkt werden.
Hightech am Ende stellt eine alternative Perspektive vor. Im Umgang mit Elektroschrott wird keineswegs wenig getan, die gesetzlichen und industriellen Veränderungen sind nur schwer zu fassen. Sie finden auf einer infrastrukturellen Ebene statt, die nach einer besonderen Aufmerksamkeit verlangt. Zugleich lautet das zentrale Argument des Buchs, dass deswegen der Fokus auf individuelle Verantwortung – etwa auf Haushalte – viel zu kurz greift. Es sind industrielle Praktiken, die für den meisten Müll und die giftigsten Abfälle verantwortlich sind; Konsument*innen können hier nicht steuern und wissen nicht einmal von vielen industriellen Routinen. „Infrastrukturen,“ so argumentiert das Buch, „damit zusammenhängende Produktionssysteme und ihre Pfadabhängigkeiten sind hauptsächlich verantwortlich für materiellen Output, also Ener gieverausgabung, Reste und Abfälle.“ Die Verhältnisse sind schwer zu schätzen, aber nur zwischen 3 und 9 Prozent des Elektroschrotts sind Haushaltsabfälle, und selbst diese Abfälle sind stark vermittelt. Die genaue Berechnung dessen sei hier nicht von zentraler Bedeutung, das ist eine Kontroverse für sich, wie das akademische Blog „Discard Studies“ im Detail zeigt.
Hightech am Ende entwickelt die These, dass in den letzten drei Dekaden eine Infrastruktur des Hightech-Recyclings aufgebaut wurde. Man muss sich diese Infrastruktur anschauen, wenn man den Umgang mit Abfällen verstehen will. Durch den Blick auf die alltägliche Arbeit an und mit der Hightech-Infrastruktur, unter Berücksichtigung ihrer Geschichte, erhält man einen neuen Blick auf gesellschaftliche Strukturen und Dynamiken. Daher will das Buch das
„[…] Hightech-Recycling[] als soziale Praxis mit einer Geschichte [dekodieren]. Was genau ist eigentlich das Problematische an Elektroschrott, und was steht hinter dem fachgerechten Recycling, von dem bei Elektroschrott die Rede ist? Ich will die Werte dieser Praxis diskutierbar machen (Dussauge et al. 2015) – Werte, die durch Mittel und Zwecke einer spezifischen Nachhaltigkeitspolitik fundiert sind, die in Techniken und Debatten eingeschrieben sind, die von bestimmten Akteuren mit gewissen Kompetenzen hervorgebracht werden, die also auf Praktiken beruhen, die aber oft unsichtbar sind und die mit Nebenfolgen unterschiedlicher Art in Verbindung stehen. Das Hightech-Recycling verarbeitet nicht nur Elektroschrott, es tut dies anhand von unterschiedlichen Vorstellungen von Wertigkeit, die aufgegriffen oder neu hergestellt werden. “ (Laser 2020, S. 7)
Hightech am Ende bespricht verschiedene Ansätze, um die Fragen anzugehen, und setzt sich dabei etwa auch kritisch mit der aktuellen europäischen Kreislaufwirtschaft auseinander. Sie ist kritisch zu sehen, weil sie Abfälle recht einseitig diskutiert, nämlich meist negativ, das heißt als Gefahr. Vor allem die Reparatur bietet hier Reserven, und sie wird nur wenig wertgeschätzt, insbesondere wenn man sie mit den großen Förderinitiativen vergleicht, die Schredder- und Schmelzbetriebe erhalten.
Im vierten Teil des Buchs werden politische Fragen durchgespielt, Politische Konsequenzen und neue demokratische Impulse stehen im Fokus. Es ist ein Plädoyer für eine neue Auseinandersetzung mit ganz ausgewählten Fragen:
Die Fragen sind Beispiele für eine Neuausrichtung. Das Problem lässt sich auf einen Satz herunterbrechen: Die zeitgenössische Umweltpolitik ist dadurch gekennzeichnet, dass sie auf Ausstöße reagiert. Es wird Müll produziert, um ihn dann zu handhaben. Wie könnte die Perspektive umgedreht werden? Das heißt nicht, danach zu fragen, wie Müll einfach ausradiert werden kann, denn ein Leben ohne Müll und Schaden ist nicht möglich. „Zero-Waste“ klingt verlockend, ist aber so gesehen etwas irreführend.
Mehr gibt es auf der Website des Buchs.
Ich habe verschiedene Artikel und Aufsätze zum Thema publiziert. Zentral dafür sind u.a.: