Warum die Trassenpreise steigen, und was das mit Obsoleszenz im System der #Bahn zu tun hat. Oder: Buchungstechnisch modernisiert, strukturell blockiert
Die #DB ist mal wieder in den News, ein riesen Anstieg der Ticketpreise droht, eine scheinbare Naturkraft rollt heran, formale Schuldenregeln.
In meinem Beitrag „Obsoleszenz statt Transformation im Schienenverkehr“ habe ich argumentiert, dass die strukturelle Schwäche des deutschen Bahnnetzes weniger ein technisches als ein institutionelles Problem ist. Es geht nicht nur um kaputte Gleise, veraltete Stellwerke oder Verspätungen. Es geht darum, dass die Infrastruktur auf Stillstand programmiert ist. Der jüngste Versuch, das zu ändern – die Gründung der bundeseigenen InfraGo AG – ist dafür ein griffiges, aber zugleich undurchsichtiges Beispiel.
Auch wenn die Bundesregierung jetzt Milliarden in die Bahn leitet, bleibt das Ergebnis widersprüchlich. Die noch recht junge Infrastruktursparte der “InfraGo” (what a name) soll das Schienennetz als „gemeinwohlorientierte Infrastrukturgesellschaft“ verwalten. Das klingt gut. Doch das Kapital, das sie erhält, kommt nicht als direkter Zuschuss, sondern als Eigenkapitalzuführung. Was wie ein blasser, formaler Unterschied klingt, hat reale, schrille Folgen: InfraGo muss auf das Geld Zinsen zahlen. Und weil die Einnahmen nur über Trassengebühren laufen, steigen diese – mit der Folge, dass Zugtickets teurer werden können, dass Güterbahnen mehr Zahlen müssen. Also wird investiert, um das System zu entlasten – und dabei werden neue Belastungen erzeugt.
Das Ganze ist ein Paradebeispiel institutionalisierte Obsoleszenz: Strukturen, die eigentlich auf Erneuerung zielen, erzeugen systematisch neue Reibung. Die Bilanz sieht besser aus – aber das System fährt sich weiter fest.
Besonders deutlich wird das bei den sogenannten Kapitalkosten, die InfraGo aufbringen muss. Sie werden auf Basis von Annahmen und politischen Entscheidungen festgelegt. Die Bundesnetzagentur erlaubt aktuell rund 5,2 % Zinsen auf das eingesetzte Kapital. Für 2026 hat das Verkehrsministerium angekündigt, diesen Satz auf etwa 2 % zu senken – ein politischer Eingriff, der zeigt, wie „neutral“ diese Zahlen sind. Doch weil die Investitionssumme zugleich verdreifacht wird, bleibt die reale Belastung hoch. Was hier wirkt, ist buchhalterische Logik; eine Politik, die sich lieber durch Form als durch Wirkung rechtfertigt.
Was im Hintergrund lauert: Die Sorge, dass direkte Zuschüsse an die Bahn die Schuldenbremse verletzen können. Wie entstehen staatliche Schulden eigentlich? Im bürokratischen Alltag ist es ein vergleichsweise einfacher Vorgang: Das Bundesfinanzministerium gibt über seine Finanzagentur Staatsanleihen aus, die auf dem Interbankenmarkt gehandelt werden. Investoren – Banken, Fonds, Versicherer – kaufen diese Anleihen. Der Staat erhält Liquidität, die Investoren Zinsen. Es ist ein Eintrag in ein Kontosystem, ein koordinierter Austausch zwischen Institutionen. Niemand „zahlt“ dafür unmittelbar aus seiner Tasche. Für die Bahn relevant: Entscheidend ist nicht das Excel-Blatt im Bundesfinanzministerium, sondern ob die realen Kapazitäten – Arbeitskräfte, Baumaterial, Technik – da sind, um das Geplante umzusetzen.
Dass das auch anders geht, hat die Regierung selbst gezeigt: Für die Bundeswehr wurde 2022 ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro geschaffen – außerhalb der Schuldenbremse. Bald wird es noch mehr. Die Begründung: Sicherheit ist systemrelevant. Das gilt im Kern auch für den öffentlichen Verkehr. Doch dort bleibt man buchhalterisch orthodox – mit dem Effekt, dass selbst Investitionen zum Preisfaktor werden.
Das Problem ist ein System, das Verschleiß erzeugt. Die alte Idee der Bahnreform, Wirtschaftlichkeit durch Strukturtrennung und Marktlogik zu erzeugen, hat sich in vielen Bereichen nicht bewährt. Mit der Gründung von InfraGo hätte ein Bruch möglich sein können. Fahrradkette.
Solange haushaltspolitische Konstruktionen wichtiger sind als reale Infrastrukturfragen, solange ein Panzer geschmeidiger rollen soll als die RE1, solange bleibt die #Verkehswende auf halber Strecke stehen. Und das System Bahn bleibt ein Fall von: modernisiert in den Tabellen, obsolet auf der Strecke.
